27.08.2020, 13:38
06.08.2020 Stadträtin Mag. Judith Schwentner (Die Grünen):
Sehr geehrter Herr Mag. Scheiber,
sehr geehrte Mitstreiter*innen aus dem Gebiet Eggenberg-Gritzenweg,
vielen Dank für das Schreiben, dass Sie an den für die Stadtplanung zuständigen Stadtsenatsreferenten Bgm. Mag. Siegfried Nagl gerichtet und den weiteren (größtenteils fachlich nicht zuständigen) Stadtsenatsmitgliedern ebenfalls übermittelt haben.
Die Situation in einer wachsenden Stadt und in einer Zeit, wo oftmals Investorengruppen und Immobilienentwickler*innen mit sehr starken Rendite-Absichten planen und bauen lassen und nicht mehr hauptsächlich Privatpersonen für sich und ihre Familien ein Gebäude das sie selbst bewohnen errichten, ist eine Herausforderung für viele Gemeinden und natürlich auch für die Landeshauptstadt Graz. Einerseits sehen sich viele Gemeinden mit Herausforderungen konfrontiert, der der steiermärkische Landesgesetzgeber in seiner Raumordnungs- und Baugesetzgebung seit langem nachkommen hätte sollen, es aber nach wie vor nicht tut und andererseits erkennen wir seit langem einen Überhang an Mutlosigkeit und folglich zu wenig Tatkraft beim zuständigen Stadtplanungsreferenten Mag. Siegfried Nagl in Graz selbst.
Der Landesgesetzgeber lässt Gemeinden zwar ein Räumliches Leitbild (das ist quasi ein großflächiger 'Bebauungsplan-Light') erstellen und verordnen, allerdings erlaubt der selbe Landesgesetzgeber es der Stadt Graz nicht, im Räumlichen Leitbild Ausmaß und Qualität der unbebauten Flächen, der Begrünung und der Baumpflanzungen (vom Baumschutz für den Baumbestand ist gleich gar keine Rede!) u.dgl.m. vorzuschreiben. Das ist und bleibt ein gravierendes Manko 'von oben', das eine Standortgemeinde gegen die landesgesetzlichen Grundlagen nicht lösen kann und naturgemäß auch nicht frei von den gesetzlichen Vorgaben auslegen darf.
Das was Graz und die Grazer Stadtplanungspolitik aber leider selbst versäumt sind zumindest der verstärkte Einsatz des Raumordnungsinstruments der Bebauungsplanung. Unseres Erachtens ist das Instrument der Bebauungsplanung das dzt. effektivste Werkzeug, um den baulichen Charakter und die Grünbereiche gerade von verletzlichen Gebieten - sei es im Grüngürtel, sei es in anderen historisch gewachsenen zusammenhängenden Strukturen im Stadtgebiet - weitestgehend zu erhalten und deren räumlich und historisch gewachsene Architektursprache qualitätvoll ins Heute und weiter ins Morgen fortzuschreiben.
Des Bürgermeisters Phantasie sich aktiver für mehr Bauqualität und für den besonderen Schutz mancher Zonen und Gebiete in Graz einzusetzen ist unserer Erfahrung nach leider enden wollend. Gerade dort wo es keinen Denkmalschutz, keinen Altstadtschutz und kein Weltkulturerbe zu verteidigen gilt, wird von ihm zu wenig hingeschaut. Dieser nötige Blick ist dem Herrn Bürgermeister möglicherweise vom einen oder anderen Stadterweiterungsgebiet, von persönlichen Liebhabereien und Traumschloss-Projekten sowie von möglicherweise zu wenig innerer Kritik gegenüber den begierigen 'Sorgen' und 'Nöten' von (internationalen, zumindest aber überregionalen) Immobilienentwickler*innen verstellt.
Eine Bebauungsplanpflicht für Ihr Gebiet Gritzenweg (und das Gebiet um den Kastanienhof) zu fordern, würde mittelfristig zumindest eine Demokratisierung der Bebauungsmöglichkeiten zur Folge haben und im optimalen Fall massive Qualitätsverbesserungen hinsichtlich der Bebauungs- und Versiegelungsfestlegungen sowie hinsichtlich der klimatologisch mindestens ebenso bedeutenden Grünausstattung (Freiflächen, Bestandsbaumschutz, Baum-Neupflanzungen, Versickerungsflächen etc.) mit sich bringen.
Mit freundlichen Grüßen
Judith Schwentner & Karl Dreisiebner