20.11.2024, 14:31
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Elke Kahr,
sehr geehrte Frau Vize-Bürgermeisterin Judith Schwentner,
Am 23. Oktober 2024 fand ein öffentlicher „Informationsdialog Areal Rösselmühle und Postgarage“ statt. Wir haben aktiv daran teilgenommen und uns mit Ablauf und Inhalt der Veranstaltung und Rahmenplanung intensiv auseinandergesetzt. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir uns an dem sogenannten Beteiligungsprozess NICHT weiter beteiligen werden.
Wir stellen damit NICHT unser Engagement für die ganzheitliche Revitalisierung der Rösselmühle und der Industrieerbe-Landschaft am Mühlgang sowie für eine respektvolle Stadtentwicklung ein.
BEGRÜNDUNG
1) Unser Studien- und Beteiligungsprojekt hat dies für die Stadt Graz geleistet:
- Ethnologische Forschungen und Analysen zur Bedeutung der Rösselmühle und des gewachsenen Bauerbes für verschiedene Anwohnergruppen; Zu deren Bedürfnissen und Wünschen für das Gries (als MA-Arbeit fortgeführt).
- Dokumentation der Stadtdiskurse um die Rösselmühle (als MA-Arbeit fortgeführt).
- Vermittlung von europäischen Debatten und Deklarationen zur sozialen Rolle kulturellen Erbes, von (EU-)Fördermöglichkeiten für ein Modellprojekt Rösselmühle/ Industrieerbelandschaft Mühlgang, Aufbau eines Kontaktnetzes zu Fach- und Beratungsstellen (UNESCO, BMKÖS etc.).
- Wanderausstellung „MEHL GRIES BETON – die Rösselmühle im Gespräch“; Gespräche mit Interessierten, Schüler:innen und Studierenden an bisher 6 Standorten.
- Textbroschüre in 3 Auflagen (Webdokumentation wird vorbereitet).
- Zahlreiche Erzähl- und Diskussionsveranstaltungen.
- Online-Petition „MEHL GRIES BETON: Rettet die Rösselmühle! Für eine respektvolle Stadtentwicklung!“, Betrieb einer Infoplattform.
- Angebot vom 3. Juli an die Stadtplanung zur Begleitung eines nachhaltigen Entwicklungsprozesses der Rösselmühle und des Industrieerbes am Mühlgang für integrierte Nutzungen (Kultur, Tourismus, Bildung, Wohnen, Natur) auf Grundlage unserer Forschungen und Expertisen.
Davon wurde NICHTS aufgegriffen. Den externen Planern waren unsere Unterlagen auf Nachfrage nicht bekannt.
2) Das bedeutet:
- Der Beteiligungsprozess gilt erklärtermaßen nur dem Grundstück der Rösselmühle nach Abbruch des Westturms, der Betriebs- und Nebengebäude. Am 23.10. war sie nur einen Nebensatz zu „schlechter Bausubstanz“ wert. Anderslautende Baugutachten werden ignoriert.
- Die Planungsziele wurden vorab und einseitig mit den Eigentümer:innen fixiert.
- Anwohner:innen sollen Alibi-Ideen für Mischnutzungen der neuen Wohnanlage liefern. Ein ergebnisoffener Prozess ist das nicht.
- Eine wissenschaftliche Sozialraumanalyse entfällt.
- Eine Gesamtbetrachtung des Bebauungsplangebiets von der Postgarage zu den ehem. Puch-Werkstätten am City-Park entfällt. Unser Vorschlag einer Industriekulturmeile am Mühlgang wird ignoriert.
- Weiter wird behauptet, die Finanzierung von Bestandsentwicklung sei unmöglich.
- Vorarbeiten, Nutzungskonzepte und Best-Practice-Beispiele des Komitees Rösselmühle werden ignoriert.
- Ignoriert wird das Angebot der Uni Graz, sich mit ihrem Forum Demokratieforschung in ein Nachbarschaftszentrum Rösselmühle einzubringen.
- Ignoriert wird der Wert Grazer Industrieerbes als soziale Ressource und Raum für Teilhabe und Demokratisierung.
- Bürgerbeteiligung wird zu sinnlosem Post-it-Bicken. Brüskierend ist auch die kurzfristige Umdeklarierung der Veranstaltung als Kick-off des versprochenen Stakeholder-Prozesses.
- Die Rösselmühle wird abgerissen. Der europaweit einzigartige Industrieerbe-Zusammenhang am Mühlgang wird zerstört.
Dieser Weg einer Alibi-Bürgerbeteiligung missachtet Heimatverbundenheit, Lebensqualität und Engagement
- unserer Forschungspartner:innen rund um die Rösselmühle,
- der Menschen, die am Griesplatz, Jakominiplatz und anderen Orten mit ihrem Wunsch nach Rettung der Rösselmühle und einer anderen Stadtbaupolitik auf uns zugekommen sind,
- der Unterzeichnenden und Kommentierenden der Petition MEHL GRIES BETON,
- von Expert:innen und Professionellen aus Grazer Universitäten, Stadtentwicklung, Altstadtschutz, Architektur und Zivilgesellschaft,
- von zahlreichen Künstler:innen, sowie Lehrkräften und Schüler:innen von sechs und mehr Bildungseinrichtungen,
- der Teilnehmer:innen bei Bürgerdialogveranstaltungen,
- der Menschen, die diese Stadtregierung gewählt haben, um Abbruch- und Betonpolitik zu stoppen.
Die Rösselmühle ist ein vielhundertjähriges Wahrzeichen für Industrie und Handwerk, Arbeit, Gedächtnis und Gemeinschaft. Sie ist nun zum Sinnbild Grazer Stadtzerstörung geworden.
Wir brauchen eine Stadtregierung, die Rückgrat beweist gegenüber den Einmischungen von Investoren in eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung.
Wir setzen uns weiterhin für das Industriedenkmal Rösselmühle und seine Umgebung ein – baukulturell, industriegeschichtlich, als Erinnerungs- und Begegnungsort, als Landmark – als ein besonderer Ort für die Zukunft, um den es sich zu kämpfen lohnt.