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Auch im Wald: Fakten statt Märchen - Wissenschaft statt Wohlleben

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02/09/2017, 10:51

Nachfolgend zwei einfache Beispiele, die zeigen, wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer bestimmten Frage vom Autor des Buches entweder nicht recherchiert, nicht verstanden, oder aber ignoriert worden sind.

1. Beispiel – Konkurrenzbeziehungen zwischen Bäumen

Aussage Wohlleben: S.21/22: „Exemplare, die verschiedenen Spezies angehören … kämpfen wirklich gegeneinander um die lokalen Ressourcen. Bei Bäumen derselben Art ist die Lage anders.“  „Ein Wald hat offenbar kein Interesse daran, schwächere Mitglieder zu verlieren.“ „… Zu dicht können Buchen dabei gar nicht wachsen, im Gegenteil. Gruppenkuscheln ist erwünscht, und oft stehen die Stämme weniger als einen Meter auseinander.“  

Wissenschaftliche Perspektive: Seit beinahe hundert Jahren (Reineke 1933) ist bekannt, dass mit dem Wachstum der Bäume ihr Standraumanspruch zunimmt und sich der Waldbestand einer von Standort, Baumart und der Entwicklungsphase abhängigen maximalen Dichte annähert. Dabei kommt es zu innerartlichen Konkurrenzeffekten, die sich in einer charakteristischen Stammzahlabnahme mit zunehmender Größe der verbleibenden Individuen äußern (self-thinning; Yoda et al. 1963). Sprich, wenn eine Fläche voll bestockt ist, können Bäume nur weiter wachsen, indem sie ihre Nachbarn zum Absterben bringen und so ihren Standraum vergrößern (Westoby 1984). Im Ergebnis resultiert dies in einem drastischen Absterbeprozess und dem Tod vieler tausend Bäumchen durch die überschirmenden Bäume. Davon sind vor allem kleine Bäume betroffen (Holzwarth et al. 2013). Folglich profitieren Bäume nicht von einem Dichtstand, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass sie absterben, ist erhöht.

Literatur:
Holzwarth, F; Kahl, A; Bauhus, J; Wirth, C (2013): Many ways to die – partitioning tree mortality dynamics in a near-natural mixed deciduous forest. Journal of Ecology 101: 220–230.
Reineke, L.H. (1933) Perfecting a stand-density index for even-aged forest. Journal of Agricultural Research 46: 627-638;  
Pretzsch, H. (2006): Species-specific allometric scaling under self-thinning: evidence from long-term plots in forest stands. Oecologia 146: 572–583.
Pretzsch, H., Biber, P. (2005): A re-evaluation of Reineke's rule and stand density index. Forest Science 51: 304–320.
Westoby, M. (1984). The self-thinning rule. Advances in ecological research, 14, 167-225.
Yoda, K., Kira, T., Ogawa H., Hozumi, H. (1963): Self-thinning in overcrowded pure stands under cultivated and natural conditions. Journal of the Institute of Polytechnics, Osaka City University, Series D, 14: 107-129.

2. Beispiel – Einfluss der Holznutzung auf Bodenkohlenstoff

Aussage Wohlleben: S. 88: „Für jeden Scheit, den Sie im heimischen Ofen verbrennen, wird draußen aus den Waldböden noch einmal die gleiche Menge an CO2 freigesetzt. Der Kohlenstoffspeicher unter den Bäumen wird in unseren Breiten also schon im Entstehen geleert.“

Wissenschaftliche Perspektive: Der Boden stellt weltweit einen der größten C-Speicher dar. Durch Landnutzungsänderungen (z.B. Umwandlung von Wald in Ackerland, Primärwald in Plantagen) und intensive Bewirtschaftungsformen (z.B. Bodenbearbeitung wie Pflügen, Düngen, Abziehen der Humusschicht, Drainage, großflächiger Kahlschlag, gezieltes Abbrennen der Strauchschicht und Bodenvegetation) wird dieser Speicher gravierend reduziert (IPCC 2000). Im Gegensatz dazu konnten bei einer moderaten, nachhaltigen Waldbewirtschaftung ohne Bodenbearbeitung bislang keine messbaren oder anhaltenden Effekte auf die Vorräte an Bodenkohlenstoff (organische Auflage plus Mineralboden) nachgewiesen werden (z.B. Mund 2004, Jandl et al. 2007, Kahl et al. 2012, Grüneberg et al. 2013, Schöning et al. 2013a, 2013b, Wäldchen et al. 2013). Jüngste Studien kommen im Gegenteil zum Ergebnis, dass Waldböden in Deutschland gegenwärtig durchschnittlich ca. 400 kg Kohlenstoff je ha und Jahr speichern (bis 30 cm Bodentiefe) (Grüneberg et al. 2014), trotz Nutzung unserer Wälder. Nach Aussage von Wohlleben müsste der Kohlenstoffvorrat der Böden durch die Holznutzung jährlich um mehrere Tonnen je Jahr und Hektar abnehmen. Dort wo Holz im Wald verbleibt und langsam als Totholz zersetzt wird, kann u. U. der Bodenkohlenstoff ansteigen, aber es gibt auch Studien, die keinen Anstieg des Bodenkohlenstoffs unter Totholz verzeichnen konnten (Kahl et al. 2012).

Literatur:
Grüneberg, E.; Schöning, I.; Hessenmöller, D.; Schulze, E.-D.; Weisser, W. W. (2013): Organic layer and clay content control soil organic carbon stocks in density fractions of differently managed German beech forests. Forest Ecology and Management 303: 1–10.
Grüneberg E, Ziche D, Wellbrock N (2014) Organic carbon stocks and sequestration rates of forest soils in Germany. Global Change Biology 20: 2644-2662
IPCC (Intergovernmental panel on climate change) (2000): Land use, land-use change, and forestry. Special report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. [Watson, R. T.; Noble, I. R.; Bolin, B.; Ravindranath, N. H.; Verardo, D. J.; Dokken, D. J. (Hrsg.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA.
Jandl, R.; Lindner, M.; Vesterdal L.; Bauwens, B.; Baritz, R.; Hagedorn, F.; Johnson,D. W.; Minkinnen, K.; Byrne, K. A. (2007): How strongly can forest management influence soil carbon sequestration? Geoderma 137: 253–268.
Kahl, T.; Mund, M.; Bauhus, J.; Sschulze, E.-D. (2012): Dissolved organic carbon from European beech logs: Patterns of input to and retention by surface soil. Ecoscience 19:  1–10.
Kutsch, W. L.; Persson, T.; Schrumpf, M.; Moyano, F. E.; Mund, M.; Andersson, S.; Schulze, E.-D. (2010): Heterotrophic soil respiration and soil carbon dynamics in the deciduous Hainich forest obtained by three approaches. Biogeochemistry 100:  167–183.
Mund, M. (2004): Carbon pools of European beech forests (Fagus sylvatica) under different silvicultural management. Berichte des Forschungszentrums Waldökosysteme, Reihe A, Band 189, Forschungszentrum Waldökosysteme der Universität Göttingen, Göttingen.
Schöning, I.; Grüneberg, E.; Sierra, C. A.; Hessenmöller, D.; Sschrumpf, M.; Weisser, W. W.; Schulze, E.-D. (2013a): Causes of variation in mineral soil C content and turnover in differently managed beech dominated forests. Plant and Soil 370: 625–639.
Schöning, I.; Trumbore, S.; Solly, E.; Muhr, J.; Schrumpf, M. (2013b): Age of respired carbon in differently managed grassland and forest soils. Geophysical Research Abstracts 15: 12306.
Schrumpf, M.; Kaiser, K.; Schulze, E.-D.; Balcazar, J. L. (2014): Soil organic carbon and total nitrogen gains in an old growth deciduous forest in Germany. PLoS ONE 9. e89364.
Tefs, C.; Gleixner, G. (2012): Importance of root derived carbon for soil organic matter storage in a temperate old-growth beech forest – Evidence from C, N and 14C content. Forest Ecology and Management 263: 131–137
Wäldchen, J.; Schulze, E.-D.; Schöning, I.; Schrumpf, M.; Sierra, C. (2013): The influence of changes in forest management over the past 200 years on present soil organic carbon stocks. Forest Ecology and Management 289: 243–254.


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