12.05.2021, 22:10
Sehr geehrte Gesundheitssprecherinnen und Gesundheitssprecher,
Sehr geehrter Gesundheits- und Sozialminister,
2020 hat die WHO einen deutschsprachigen Leitfaden zu Vorsorgeuntersuchungen und Screening veröffentlicht, um deren Wirksamkeit zu erhöhen, Nutzen zu maximieren und Schaden zu minimieren - bit.ly/3eAQ7GL
Der Leitfaden richtet sich explizit an führende Persönlichkeiten aus Politik und Gesundheitswesen, die mit der Planung, Gestaltung und Umsetzung der Screeningprogramme in der Europäischen Region der WHO befasst sind. Bitte lesen Sie ihn!
Auch die aktuellen Massentests an den österreichischen Schulen sind ein Screening von asymptomatischen Kindern und Jugendlichen. Deshalb sollten sie auch alle Kriterien für ein Screening erfüllen - bit.ly/33A4h4l
Für die Aussagekraft von Massentests ist nicht nur die Testgüte (Sensitivität, Spezifität), sondern vor allem auch die Vortestwahrscheinlichkeit entscheidend. In Vorarlberg, dem österreichischen Bundesland mit der „wahrscheinlich“ höchsten Inzidenz, wurden seit der KW7 912.084 Tests an Schulen durchgeführt. 111 waren auch PCR-positiv. Das sind 0,012 Prozent. In diese Zahl sind auch Pädagog*innen inkludiert. Die Vortestwahrscheinlichkeit mit SARS-CoV-2 kontaminiert zu sein, liegt somit bei Kindern und Jugendlichen also im Moment im Bereich von 0,01 Prozent (1:10.000) mit sinkender Tendenz. Um einen positiven Fall zu finden müssen – bei einem Preis von Euro 2 pro Test – aktuell also zirka Euro 16.000 an öffentlichen Mitteln ausgegeben werden.
Wenn die Stecknadel im Heuhaufen immer seltener wird, dann nützt auch eine sehr hohe Testgüte nichts mehr. Bei einer Vortestwahrscheinlichkeit von unter 0,01 Prozent (kleiner 1:10.000) erübrigt sich jedes Screening, wie zuletzt auch Angela Raffle, eine der weltweit führenden Screening-Expertinnen im BMJ - www.bmj.com/content/373/bmj.n1058 - festgestellt hat.
Deshalb spricht sich auch unsere Initiative „Kinder in die Schule“ - openpetition.eu/!kinderindieschule - die innerhalb von drei Tagen von über 12.000 Menschen unterstützt wurde - auch gegen Massentests in österreichischen Schulen aus.
Ich hoffe inständig, dass zumindest die Gesundheitssprecherinnen und Gesundheitssprecher, sowie der amtierende Gesundheits- und Sozialminister, auf Wissensbasierung und Sachlichkeit achten.
Bildung ist ein Menschenrecht und der Zugang zu Bildungseinrichtungen sollte nicht an Maßnahmen gebunden sein, die keine Evidenzbasierung haben.
Mit freundlichen Grüßen - Martin Sprenger
Arzt und Gesundheitswissenschaftler, Graz
für die am 10. Mai gestartete Initiative „Kinder in die Schule"