Abstimmungsfrage
Stimmen Sie für die Maßnahmen zur Reduzierung des Einsatzes von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung?
- Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika als Gruppenbehandlung
- Reduzierung der Tierzahl bei häufigem Antibiotikaeinsatz
- Pflicht zur Erstellung eines Antibiogramms vor der Behandlung
- Trennung von Verschreibung und Verkauf von Antibiotika in der Tierhaltung
Hintergrund
Antibiotika sind in der Medizin elementar wichtig, um bakterielle Infektionen bei Menschen und Tieren zu behandeln. In Deutschland wurden 2022 in der Tiermedizin rund 540 Tonnen Antibiotika eingesetzt, davon etwa 18% Reserveantibiotika[1]. Das sind besonders selten benutzte Antibiotika, die nur eingesetzt werden sollen, wenn andere Antibiotika nicht wirken. Diese Zahlen zeigen einen rückläufigen Trend im Vergleich zu früheren Jahren. Von 2011 bis 2022 wurde ein Rückgang des Antibiotikaeinsatzes von 68,4 % (1.165,8 t) verzeichnet [2]. Der Rückgang ist teilweise auf verbesserte Haltungsbedingungen und Managementpraktiken zurückzuführen, aber auch auf strengere Regeln, wie das Tierarzneimittelgesetz [3]. In konventionellen landwirtschaftlichen Großbetrieben werden oft ganze Tiergruppen mit Antibiotika behandelt, auch wenn nur einige Tiere Anzeichen für Infektionen zeigen. Diese Praxis, bekannt als metaphylaktischer Einsatz, wird kontrovers diskutiert [4, 5]. Einerseits kann sie die Ausbreitung von Infektionen in Tierbeständen verhindern, andererseits kann sie auch zur Entwicklung von Antibiotikaresistenzen beitragen, was eine ernsthafte Bedrohung für die menschliche und tierische Gesundheit darstellt [6, 7]. Studien zeigen, dass der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung zur Verbreitung resistenter Bakterien in der Umwelt und in der Nahrungskette führen kann [8, 9]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Antibiotikaresistenz als eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit eingestuft [10]. In der Europäischen Union sterben jährlich etwa 35.000 Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien, und die damit verbundenen Kosten werden auf 1,1 Milliarden Euro geschätzt [11]. Diese Zahlen unterstreichen die Dringlichkeit des Problems und die Notwendigkeit eines umsichtigen Umgangs mit Antibiotika in allen Bereichen, einschließlich der Landwirtschaft.
Teilfragen
1. Würde eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes dem Tierwohl schaden?
Hintergrund: Antibiotika werden in der Tierhaltung eingesetzt, um bakterielle Krankheiten zu behandeln und vorzubeugen. Wie bei uns Menschen beeinflusst dies die Gesundheit der Tiere und kann sie von Krankheiten heilen. Werden Antibiotika häufig eingesetzt werden, kann das aber auch dazu führen, dass Bakterien gegen Antibiotika unempfindlich werden. Um das zu vermeiden, werden verschiedene Strategien zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes diskutiert und untersucht.
Pro
Antibiotika behandeln Krankheiten schnell und effektiv. Sie mindern das Leiden der Tiere. Ein reduzierter Einsatz von Antibiotika könnte dazu führen, dass Tiere länger krank bleiben.
Wenn viele Tiere zusammenleben, kann es sinnvoll sein, die gesamte Gruppe mit Antibiotika zu behandeln, um die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. So werden alle Tiere geschützt.
Wenn man zu strenge Regelungen hat, könnten kranke Tiere möglicherweise nicht rechtzeitig oder ausreichend behandelt werden. Das wäre den Tieren gegenüber nicht fair.
Contra
Wenn man die Tiere besser hält, geht es ihnen gut und sie werden seltener krank. Dann braucht man auch weniger Antibiotika. So kann man beides erreichen: gesunde Tiere und weniger Antibiotika.
Man kann jedes Tier einzeln untersuchen und nur die kranken behandeln. Mit neuer Technik kann man das gut machen, auch wenn es viele Tiere sind.
Wenn man für Sauberkeit sorgt und die Tiere artgerecht hält, werden sie seltener krank. Bauernhöfe, die das gut machen, brauchen oft weniger Antibiotika.
2. Bringen die vorgeschlagenen Maßnahmen höhere Kosten für die Landwirtschaft und Verbraucher?
Hintergrund: Änderungen in der Regulierung des Antibiotikaeinsatzes können sich auf verschiedene wirtschaftliche Aspekte auswirken. Betroffen sein könnten die Produktionskosten in der Landwirtschaft, die Preise im Supermarkt und langfristig auch die Kosten im Gesundheitssystem. Die wirtschaftlichen Folgen können kurzfristig und langfristig unterschiedlich ausfallen.
Pro
Es könnte teurer werden, Tiere zu halten. Bauern müssten sich um jedes einzelne Tier mehr kümmern und könnten mehr Tiere verlieren. Besonders für kleine Bauernhöfe könnte das schwierig sein.
Fleisch, Milch und Eier könnten im Laden teurer werden. Es ist nicht klar, ob die Kunden bereit sind, mehr zu bezahlen.
Deutsche Bauern könnten es schwerer haben, ihre Produkte zu verkaufen. In anderen Ländern gibt es teilweise weniger strenge Regeln, und dort wäre es billiger zu produzieren. Deshalb wäre es gut, wenn es in der ganzen EU oder sogar weltweit ähnliche Regeln gäbe.
Contra
Auf lange Sicht könnte unser Gesundheitssystem Geld sparen. Wenn weniger Bakterien gegen Antibiotika unempfindlich werden, werden weniger Menschen krank. Experten sagen, dass sich Investitionen in diesem Bereich schon nach einem Jahr lohnen könnten.
Bauern könnten neue Kunden gewinnen, die bereit sind, mehr Geld für Fleisch ohne Antibiotika zu zahlen. Immer mehr Menschen wollen Lebensmittel kaufen, die umweltfreundlich hergestellt wurden.
Bauern könnten neue Kunden gewinnen, die bereit sind, mehr Geld für Fleisch ohne Antibiotika zu zahlen. Immer mehr Menschen wollen Lebensmittel kaufen, die umweltfreundlich hergestellt wurden.
3. Sollte der Staat eine starke Rolle bei der Regulierung des Antibiotikaeinsatzes in der Landwirtschaft spielen?
Hintergrund: Es gibt verschiedene Ansätze zur Regulierung des Antibiotikaeinsatzes in der Landwirtschaft. Der Staat kann strenge Regeln machen, oder die Landwirte können sich freiwillig selbst verpflichten, weniger Antibiotika zu benutzen. Die Wahl des Regulierungsansatzes kann Auswirkungen auf die Umsetzung und Wirksamkeit von Maßnahmen haben.
Pro
Der Staat kann für alle die gleichen Regeln machen und prüfen, ob sie eingehalten werden. Das gibt es schon beim Tierarzneimittelgesetz. So wissen alle, woran sie sich halten müssen, und niemand hat einen unfairen Vorteil.
Der Staat kann Geld für die Forschung geben. So können neue Wege gefunden werden, um weniger Antibiotika zu benutzen. Das ist wichtig, um neue Behandlungen zu finden und Krankheiten vorzubeugen.
Nur wenn der Staat Regeln macht, gelten sie überall und für alle. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass das sehr wirksam sein kann.
Contra
Wenn Landwirte freiwillig versprechen, weniger Antibiotika zu benutzen, können sie schneller auf neue Erkenntnisse reagieren. Sie können leichter ausprobieren, was am besten funktioniert.
Wenn der Staat zu viele oder zu strenge Regeln macht, könnte das neue Innovation und Anpassungen bremsen. Die Bauern könnten dann vielleicht nicht mehr so gut mit anderen Ländern konkurrieren.
Bauern und Tierärzte kennen ihre Tiere am besten. Sie sollten selbst entscheiden können, was richtig ist. Wenn alles von oben bestimmt wird, können sie vielleicht nicht mehr so gut auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Tiere eingehen.
4. Wäre ein europäischer oder internationaler Regulierungsansatz den nationalen Maßnahmen vorzuziehen?
Hintergrund: Die Frage nach der geeigneten Ebene für Regulierungen berücksichtigt, dass Antibiotikaresistenzen nicht an Landesgrenzen halt machen. Nationale, europäische und internationale Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit und Reichweite.
Pro
Resistente Bakterien machen nicht an Landesgrenzen halt. Deshalb ist ein globaler Ansatz nötig, wie ihn die WHO verfolgt. Sie fordert eine koordinierte internationale Strategie.
Wenn international die gleichen Regeln gelten, ist es für alle Bauern fair. Das ist wichtig, weil Lebensmittel und Tiere auf der ganzen Welt gehandelt werden.
Wenn Forscher aus vielen Ländern zusammenarbeiten, finden sie schneller neue Lösungen. Das passiert schon in einigen Forschungsgruppen. Gerade bei so komplizierten Themen wie Antibiotikaresistenzen ist Zusammenarbeit wichtig.
Contra
Deutschland kann nationale Maßnahmen schneller umsetzen. Dies ermöglicht eine schnellere Reaktion auf lokale Herausforderungen. Andere Länder können dann von uns lernen, so wie wir von den Niederlanden gelernt haben.
Wenn wir zu viel Zeit damit verbringen, mit anderen Ländern zu reden, könnten wir vergessen, was wir hier und jetzt tun müssen. Manchmal ist es besser, einfach anzufangen und Probleme vor Ort zu lösen.
Jedes Land hat seine eigene Art, Tiere zu halten und Gesundheitssysteme zu organisieren. Eine Regel, die einen Kompromiss für alle darstellen soll, könnte für manche Länder nicht so gut funktionieren.
Quellen
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): "Antibiotikaabgabe in der Tiermedizin sinkt 2022 weiter", 2023. www.bvl.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/05_tierarzneimittel/2023/2023_PM_Abgabemengen_Antibiotika_Tiermedizin.html
- Arbeitsgruppe Antibiotikaresistenz des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR): "Lagebild zur Antibiotikaresistenz im Bereich Tierhaltung und Lebensmittelkette", 2024. www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Tiergesundheit/Tierarzneimittel/lagebild-antibiotikaeinsatz-bei-tieren-2024.pdf?__blob=publicationFile&v=3
- Bundesministerium der Justiz: "Tierarzneimittelgesetz (TAMG)", 2023. www.gesetze-im-internet.de/tamg/
- Lhermie, G., et al.: "Antimicrobial Policies in United States Beef Production: Choosing the Right Instruments to Reduce Antimicrobial Use and Resistance Under Structural and Market Constraints", Frontiers in Veterinary Science, 6:245, 2019. doi.org/10.3389/fvets.2019.00245
- Merle, R., et al.: "Prevalence of Multiresistant Pathogens in Faecal Samples from Slaughter Pigs in Germany", Veterinary Microbiology, 233:52-60, 2019. doi.org/10.1016/j.vetmic.2019.04.025
- Van Boeckel, T. P., et al.: "Global trends in antimicrobial resistance in animals in low- and middle-income countries", Science, 365(6459):eaaw1944, 2019. doi.org/10.1126/science.aaw1944
- Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): "ABfR-Verbraucher MONITOR", 08/2022. www.bfr.bund.de/cm/350/bfr-verbrauchermonitor-08-2022.pdf
- Tang, K. L., et al.: "Restricting the use of antibiotics in food-producing animals and its associations with antibiotic resistance in food-producing animals and human beings: a systematic review and meta-analysis", Lancet Planet Health 1(8):e316-e327, 2017. pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/29387833/
- European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC): "Antimicrobial resistance in the EU/EEA (EARS-Net) - Annual Epidemiological Report 2021", 2022. www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/surveillance-antimicrobial-resistance-europe-2021
- World Health Organization (WHO): "Antimicrobial resistance", 2023. www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/antimicrobial-resistance
- Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union: “Fünf Gründe, antimikrobielle Resistenzen (AMR) ernst zu nehmen.”, 2023. www.consilium.europa.eu/de/infographics/antimicrobial-resistance/