07.04.2021, 14:11
Das Haus Nr 9 vlg Zinngießer war über hunderte Jahre mitten im Geschehen, hat vieles gesehen, erlebt und erzählte uns viel über die Vergangenheit, das gesellschaftliche Leben und Treiben unserer Vorfahren, die jenen Ort aufgebaut haben, den wir Heimat nennen. Es war eines der ortsbildprägendsten Gebäude von Irdning und man möge ihm aufgrund des beachtlichen Alters verzeihen, dass die aus hunderten Kilogramm schweren Steinen mühsam aufgebauten dicken Wände nicht mehr ganz gerade waren. Eben diese etwas schiefen Wände, letztlich liebevoll im Biedermeierstil gestaltet, machten den Charme des Hauses aus und gaben dem Hauptplatz jene Atmosphäre, die wir anderswo in den Altstädten suchen und schätzen.
Das Haus wurde 1542 zum ersten Mal erwähnt, jedoch kann man davon ausgehen, dass es älter war, da die wenige Meter entfernte Kirche Hl Peter und Paul bereits 1145 erstmals erwähnt wurde. Anfänglich diente das Haus als Herberge, später wurde es zur Zinngießerei, ein damals sehr angesehenes Gewerbe.
Als Irdning 1564 auf Ansuchen von Ferdinand Hoffmann (Inhaber der Herrschaft Wolkenstein) das Marktrecht erhielt wurde der Platz vor dem Haus Nr 9 zum Marktplatz. Hier wurde fleißig gehandelt und es wurden Geschäfte gemacht. Das Marktrecht wurde nur wenigen Orten zuteil und bedeutete Aufschwung. Auch heute nennt sich die Gemeinde Irdning-Donnersbachtal noch stolz Marktgemeinde.
Nun ist das Haus selbst Geschichte. Es wurde gestern dem Erdboden gleichgemacht. Nach 500 Jahren entsprach es nicht mehr dem Anspruch, den Investoren heute an Gebäude haben. Das Haus war vom Mauerwerk bis zum Dachstuhl trocken, die massiven Kamine, die von den Zinngießern befeuert wurden zogen sich durch das Gebäude, auch die Raumhöhen waren nicht, wie so oft erwähnt, zu gering, um das Haus nutzen zu können. Es hängt lediglich von den Erwartungen ab, die man an ein so altes Gebäude hat und welcher Nutzung man es zuführen möchte.
Wir von der Initiative GEMEINDE [be]LEBEN haben uns ein Jahr lang für den Erhalt des Zinngießer Hauses Irdning Nr 9 eingesetzt.
Eine Petition, das zu Hilfe Rufen des Bundesdenkmalamtes, die Recherche im Landesarchiv, die Initiative Denkmalschutz, Pressearbeit, der Besuch des hochgeschätzten o. Univ.Prof. em. Mag.arch. DI Roland Gnaiger und sogar ein Kaufangebot an den Eigentümer haben leider nicht den erwünschten Erfolg gebracht. Das Denkmalamt sprach dem Gebäude einen regionalen Wert zu, im Sinne des Denkmalschutzes wurde es jedoch nicht als schützenswert eingestuft. Es stellt sich die Frage, ob ein altes Haus in Irdning an den hohen Maßstäben von städtischen Gebäuden gemessen werden kann, oder ob man nicht auch am Land die für die Ortskerne so wichtigen Ensemble schützen sollte. Dies wäre zum Beispiel mittels Ortsbildschutz möglich, ein Schutz, der von der Mehrheit unseres Gemeinderats nicht erwünscht ist, da er als Hemmnis für die Wirtschaft gesehen wird. Die an den Bürgermeister und den Gemeinderat gerichtete Petition wurde im Gemeinderat nie besprochen. Roland Gnaiger, DER Baukulturexperte Österreichs, erwähnte uns gegenüber, dass man dies (Abriss) in seiner Heimat Vorarlberg nicht mehr tun würde. Auch er versicherte uns, dass mit etwas Wille, das Haus auch gewerblich nutzbar gemacht werden könnte. Als wir dem Besitzer bereits vor einem Jahr anboten, ihm das Anwesen vlg. Zinngießer abzukaufen, knüpfte dieser den Verkauf an die Bedingung, dass wir ihm auch das Haus Nr 2 (Sparkasse, Notar) abkaufen müssten. Das Verkaufsangebot befand sich somit im siebenstelligen Bereich und überschritt erwartungsgemäß unsere finanziellen Mittel. Dies konnte nicht als ernstgemeintes Angebot gesehen werden. Schade!
Wir sind sicher, dass sich unser Einsatz für das Ortsbild dennoch gelohnt hat, denn das neue Gebäude wird nun zumindest visuelle Auflagen erfüllen müssen, die über den Standard eines Investorenprojekts hinausgehen. Uns ist bewusst, dass nichts das historische Gebäude ersetzen kann, aber es ist ein Anfang der Sensibilisierung für die Wichtigkeit des Ortsbilds.
Wir werden uns auch in Zukunft für das Ortsbild einsetzen, denn eines ist sicher, das nächste Projekt wird nicht lange auf sich warten lassen. Wir freuen uns über Unterstützung und sind unter gemeinde.beleben@gmail.com erreichbar.
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